Ode an Herrn Horst

Portrait

Ode an Herrn Horst

Name: Herr Horst
Job: Ober im Café Prückel / Wien; heute Pensionist mit gelegentlichen Gastauftritten im Café Prückel
Geboren: 1944
In: Wien
Lebt in: Wien
Zeitpunkt des Gesprächs: Dezember 1993
Anlass des Gesprächs: Eine Serie der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT mit dem Titel »Mein Tag«, in der Menschen aus ihrem Leben erzählten
Dauer des Gesprächs: soweit erinnerlich ca. eineinhalb Stunden
Gerauchte Zigaretten: einige, damals, in den 90ern
Homepage Café Prückel: www.prueckel.at
Lesezeit für dieses Gespräch: 5 min
Text: Christian Ankowitsch
Erstmals erschienen: 14.1. 1994 in der ZEIT, Ausgabe 03, Seite 67, Ressort »Modernes Leben«
Foto: Café Prückel / Wien

Im Jahr 1994 portraitierte Christian Ankowitsch für das Ressort Modernes Leben der Zeit den Wiener Ober Herrn Horst. Er war im Café Prückel beschäftigt, wo er heute, bereits pensioniert, immer noch aushilft. Genauso mürrisch-souverän wie ehedem. Eine Ode an eine Institution, verpackt in einen Monolog des Portraitierten

Die Tageskartn, des ist des erste in der Früh. Um halber elfe setz ich mich in ein ruhiges Eck und schreib auf einen Zettel, was es zum Essen gibt – wann mi net aner aufhalt, so wie Sie jetzt. Jedesmal gleich: rechts oben des Datum, links das Mittagsmenü. Drunter noch so sechs, sieben Sachen. Wenn ich ausnahmsweis aan Preis net weiß, schau ich in dem Registerheftl da mit dem blauen Umschlag nach. Da stengans alle drinnen. Das is schon ganz zerfleddert, weils’s scho so lang gibt. Die Preise schreibt die Chefin nua mitn Bleistift hin, damit mas wegradiern kann, für den Fall. Ich sag Ihnan – blind find ich a jede Stell. Is aa ka Wunder, seit anazwanzig Jahr bin ich jetzt da. Davor war ich fünfzehn Jahr im »Café Promenade«, am Schwarzenbergplatz. Bis’s zusperrt habn. Da is jetzt a Bank drin.

So, des wars. Jetzt is die Banklistn dran, mit die Wünsche fürs Wechselgeld. So zwischen fünf und fuffzehn Tausender (damals noch österr. Schillinge, Anm.) lass ma si täglich wechseln. Des erledigt die Kollegin. Heut brauch ma zum Beispiel für 1250 Schilling Fünfer und für an Tausender Zehner. Da kumman jo Wahnsinnige und zahln den klaan Braunen zu 26 Schilling mit aan Tausender. Und gestern erst: Da war ana da, der hat ghabt a Tortn, an klan Schwoazzn und a Seidl – des macht 105 Schilling. Und dann zaht er aan Fünftausender ausse. Wann ichs hab, zuck ich net einmal mit der Wimper. Weil: Ich bin ein vom Gastgewerbe abgehärteter Mensch.

Jetzt wea ich noch Kleingeld tanken: Für jede Münzn hab ich eine eigene Taschn im Gilet und im Jackett. Ins Portmonnä kommt bei mir nua des Papiergeld. Des Kaffeehaus ist in drei Rayons einteilt, für jeden Ober eins. Dazu gibts noch zwaa Zuträger, die dürfn oba net kassieren. Ich hab imma desselbe Rayon: des Bridgezimmer, des Café bis zum »Sommer rechts« und noch des kleine Spielzimmer. Und ab siebane dann no des Japanzimmer dazua – »Sommer rechts«, des is der Tisch rechts neben der großen Tür, durch die man im Sommer auf die Terrassen geht. Und Japanzimmer heißt es, weil da in die fuchzger Jahr einmal so a japanische Tapetn drinpickt is. Und im Bridgezimmer spielns Bridge – den ganzen Tag. Das sind meist Pensionisten. Die reden nur von die gestrigen Partien. Über sonst nix. Die wissen sicher net, wie unsa Bundespräsident heißt.

Früher war der Tagesablauf total berechenbar: Frühstück, Mittag und zwischen halb drei und halb vier war das Café wie ausgstorbn. Da habn S‘ die Uhr danach richten kennan. Aber heut? Ich fang zwar um halb zwölf damit an, die Stammtische zum Reservieren und fürs Mittagsessen zu decken. Aber sonst gehts den ganzen Tag ohne Übergang dahin. Gestern erst, da kommt der junge M. um eins – zum Frühstück. Zwei Eier im Glas. Es hat sich überhaupt viel gändert: Heute kommt ja viel mehr Jugend. Wir haben uns damals ins Kaffeehaus gar net reintraut, das war was für die Alten.

Des wichtigste ist des Flair, des san die vielen Zeitungen, die Ruhe. Da kommt beispielsweis jeden Mittwochnachmittag ein Herr. Der bestellt sich einen großen Braunen und an Kuchen. Dann liest er drei Stunden lang a anzieche Zeitung. Wo gibts denn das sonst? Schaun Se, ich bin jetzt fünfzig und hab imma no Spaß an mein Job: Ich interessier mich für die Leut. In so an Kaffeehaus siecht man, wieviel Ärsche es gibt auf der Welt und wieviel klasse Menschen.

Die richtige Anred? »Herr Horst« is schon in Ordnung. Letztesmal war a Wahnsinniger da, der hat ma »Herr Kellner« nachgschrian – da hats ma glei alle Nackenhoa aufgstellt. Ein guter Ober bleibt trotz allem höflich. Der muß laut und deutlich grüßn, so wie die Gäst auch. Dann muß er Ruhe ausstrahlen, seriös sein – so wie der Herr Ernst, der früher einmal im »Prückel« war: Der ist 45 Jahr lang durch des Kaffeehaus marschiert – ich sag Ihnan: wie ein Gott! Und an Schmäh muß er aa haben. Beim Aussegeben, wenn der Gast Münzen und Geldscheine kriegt, sag ich gern: »Drei Eisen und zwa Papierln.« Net bei an jedem, is eh kloar. Die Routine sagt ma, wann des geht.

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