Melange der Sixties I

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Melange der Sixties I

Thema: »Lilien-Pozellan« – Dekor »Daisy« (Kaffee-, Tee- und Mokkaservice)
Inhalt: Die Entstehungsgeschichte des Dekors und ein dezenter Hinweis auf die Sammelleidenschaft der Autorin
Folge: 1. (hier finden Sie die 2. Folge, in der er um die faszinierende Biographie jenes Manns geht, der sich »Daisy« ausgedacht hat)
Autorin: Bettina Schneuer
Lesezeit für diesen Text: ca 3 min
Fotos: Moka Consorten

»Freude mit jedem Gedeck« lautet der Werbeslogan zur Markteinführung im Juni 1959 – ja, von wegen! Zunächst ist das in je einer von sechs Pastelltönen gelieferte Kaffee-, Tee- und Mokkaservice nämlich überhaupt kein Renner. Zwar wird den Kunden, neuartig und aufregend, eine 20-Jahre-Nachkaufgarantie für die schlichten, randlosen Teller und konischen Tassen gewährt. Doch bekommt der Hersteller trotz größter Mühen nie das Problem leichter Farbabweichungen in den Griff: Da schillert dann eine Charge, die eigentlich Himmelblau werden soll, plötzlich ins Türkise, das Puderrosa ähnelt einem Marzipanschweinchen, das Gelb wirkt mal wie Eidotter, mal wie Zitrone. Muffige Reklamationen, murrende Kunden, sinkende Verkäufe und rote Zahlen in der Bilanz sind die Folge.

Conrad Henry Lester, geistiger Vater von »Daisy«-Lilien-Porzellan und Chef der Österreichischen Sanitär-Keramik und Porzellan-Industrie AG in Wilhelmsburg, kommt angesichts dieser Krise eine kühne Idee: Warum nicht aus dem Malus einen Bonus machen? Warum nicht das Sextett unterschiedlicher Töne gleich ganz kunterbunt mischen, so dass leichte Abweichungen bei Zukäufen gar nicht ins Auge fallen? Lila neben Lindgrün stellen, Grau zu Gelb, rosé mit bleu zu paaren und so weiter? Lester, gebürtiger Wiener, hat zuvor jahrelang in New York, Hollywood und Los Angeles gelebt und dort vielleicht gelernt, einen wilden Stier bei den Hörnern zu packen (sozusagen), hat in den USA vielleicht auch die unendlichen Kombinationsmöglichkeiten der Geschirrentwürfe »American Modern« von Russel und Mary Wright kennengelernt, deren Farbpalette der von »Daisy« ähnelt. Er traut sich was.

Und die moderne, österreichische Hausfrau ist begeistert, das Mix-Service im Dekor »Melange« ab den Sixties sensationell erfolgreich. Lester erweitert das Sortiment vom Ess-Service über Kompott-Sets bis hin zu Pudding-Schüsseln. Vor 20 Jahren erst stellte man die Produktion ein*. Heute gibt es Ausstellungen und sogar ein kleines Privat-Museum im österreichischen Wilhelmsburg; heute durchforsten in »Daisy« verliebte Aficionados (man könnte auch sagen: Verrückte) Flohmärkte und bieten für Seltenes wie eine Königskuchenplatte Unsummen auf Ebay.

Lilienporzellan - Dekor Daisy

Ich weiß das. Denn ich bin eine von diesen Verrückten, Drei-Zwei-Eins-Meins – mein Ein für alles. Ich besitze die Mokkatassen aus der ersten Serie (sie haben noch den weißen, von Hand angedrückten Henkel). Die habe ich für kleinstes Geld auf einem Berliner Flohmarkt ergattert und benutze sie dauernd, immer nach dem Abendessen für den Espresso und jeden Tag eine andere Farbe; donnerstags meinen Favoriten in einem Ton wie Senf mit viel Milch verrührt (oder so).

Ich horte einen zauberhaften Satz Schüsseln, zuvor schwer verstaubt in einem Wiener Geschäft für Verlassenschaften und dort vom Gatten erspäht, den ich inzwischen mit dem Sammeltick infiziert habe. Die wohnen, wieder ungenutzt, allerdings staubfrei, nun im Sideboard. Aber dennoch bin ich irgendwie glücklich, sie zu haben und glaube, bei mir in Berlin fühlen sie sich auch wohler als hinter einem Schaufenster im 3. Bezirk. Schließlich stapeln sich neben ihnen zahllose Brüder und Schwestern, etwa meine Kaffeetassen, ebenfalls eher selten genutzt, zweite Serie mit bunten Henkeln.

Und außerdem meine Tuschkasten-Tupfer: Ich liebe diese elf kunterbunten Teller, vor allem den nebelgrauen mit der leichten Macke am Rand, auf deren frischer Palette meine runden, warmen Schokoküchlein mit flüssigem Kern gleich nochmals doppelt so wunderbar aussehen und schmecken (ich beherrsche zwar lediglich drei Dessertrezepte, die aber alle top). Vielleicht bekommt diese Nachspeise durch das, auf dem sie serviert werden, eine Art Extraprise Köstlichsein von unten? Achso, falls Sie zufällig eine »Daisy«-Königskuchenplatte übrig haben, schicken Sie mir doch einfach eine Mail (bettina[at]mokaconsorten[punkt]com) – ich komme!

* Zusatzinfo: »Daisy« wird heute von einer tschechischen Firma wieder hergestellt, ein wenig dicker und stoßfester ist es geworden, die Farben (Aquamarin, Blau, Lachs, Olive, Vanille und Violett) viel knalliger – und insgesamt längst nicht so schön wie das Original.

Hier geht es zum 2. Teil dieses Textes, in dem es um die faszinierende Biographie jenes Mannes geht, der sich »Daisy« ausgedacht hat

 

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