Auf einen Kaffee mit Gregor Eichinger I

Auf einen Kaffee mit…

Gregor Eichinger I

Thema: Das Besondere am Kaffeehaus: Man kommt, um da zu sein und gesehen zu werden
Folge: 1 – einer mehrteiligen Lecture über Grundsatzfragen des Kaffeehauses
Name: Gregor Eichinger
Beruf: Architekt und Kaffeehausforscher, war Professor an der ETH Zürich und ist es derzeit an der Akademie der Bildenden Künste in München
Geboren: 1956
In: Wels / Oberösterreich
Homepage: eichinger offices vienna | büro für benutzeroberfläche
Twittername: keiner
Email-Adresse: desk[at]eovienna[punkt]at
Ausstellungen: »The Shape Of The Café To Come« (Wien, MAK Design Space, 2010) – fünf junge Design-Teams recherchieren zur Zukunft der Wiener Kaffeehäuser (Dottings, Graulicht, KIM+HEEP, POLKA, Robert Rüf)
Kaffeehaus-Projekte: Ansari (Wien), Korb (Wien); gemeinsam mit Christian Knechtl: Stein (Wien), Maria Magdalena (Graz) uva
Fragen: Moka Consorten
Foto: Elfie Semotan
Lesezeit für dieses Gespräch: 6 min
Erschienen: 2. Mai 2013

Moka Consorten: Warum ist das Kaffeehaus eigentlich etwas Besonderes? Könnte man nicht genauso gut ins Restaurant gehen?
Eichinger: Könntest du – ist aber etwas ganz anderes, denn: Im Kaffeehaus hälst du dich auf. Du arbeitest dort, triffst Leute oder liest etwas – machst also, was du willst. Alle anderen gastronomischen Formate hingegen haben festgelegte Choreografien. Im Restaurant kommst du an, kriegst die Vorspeise, dann folgt der Höhepunkt und schließlich gehst du wieder. Im Kaffeehaus gibt es das nicht. Dort bist du einfach anwesend. Das Kaffeehaus ist das einzige gastronomische Format, bei dem du eine bestimmte Aufenthalts-Qualität erfahren kannst.

Kommen daher auch die ganzen Angebote im Kaffeehaus wie Zeitungen oder Billardzimmer?
Ja, man hat es angereichert, um ihm einen Tagesaufenthalts-Charakter zu geben. Du kannst ja nicht die ganze Zeit nur herumsitzen und konsumieren. Also liest du Zeitung, diskutierst, arbeitest. Immer begleitet und befeuert vom Kaffee, der dich gut wach hält, dich in einen »nüchternen Rausch« versetzt.

Die Aufgabe des Obers in diesem Spiel ist …
… vielfältig und sehr wichtig. Der Ober ist vor allem eine Aufmerksamkeitsmaschine. Er muss bestimmte Gäste zu Stammgästen machen und das Kaffeehaus auf diese Art in einen öffentlichen Club verwandeln. In einem guten Kaffeehaus können Unbeteiligte ja zuschauen, wie sich die Mitglieder dieses Clubs jeden Tag treffen.

Ein gutes Kaffeehaus ist also eine Art öffentlicher Club uneingetragener, gleichwohl zugehöriger Mitglieder?
Ja! Es macht bestimmte Menschen öffentlich sichtbar. Meine Theorie ist ja, dass die klassischen Kaffeehäuser wie die Restaurants der französischen Revolution funktionieren.

Das ist erklärungsbedürftig.
Nach der Revolution gab es jede Menge neuer Leute, die das Geschick des Landes bestimmten. Die hat keiner gekannt. Um sich sichtbar zu machen, sind sie in die damals entstehenden Restaurants gegangen, die öffentlich zugänglich waren. Da wurden sie auf einmal sichtbar. Ich behaupte, das Wiener Kaffeehaus hat genau dieselbe Funktion: Es macht die Bürger der Stadt sichtbar. Du gehst also nicht ins Kaffeehaus, um etwas zu trinken, sondern um dich dort aufzuhalten, um sichtbar zu werden.

Dazu braucht es aber die Zuseher, also die Nicht-Mitglieder.
Ja, aber das Kaffeehaus ist basisdemokratisch. Jeder kann teilhaben und sich in einen Stammgast verwandeln. Es ist ja wunderbar, wenn du das erste Mal vom Ober wiedererkannt wirst. Man kann ein Kaffeehaus ruinieren, wenn man die Ober austauscht – wer geht schon regelmässig in ein Kaffeehaus, wenn er nicht wiedererkannt wird?

Ankowitsch: Ich kann mich lebhaft daran erinnern, als mich Herr Horst im »Café Prückel« zum ersten Mal persönlich begrüßt hat. Da habe ich gewusst: Jetzt habe ich es geschafft! Robert Menasse hatte mir geraten, zu einem Trick zu greifen, und mich im Café anrufen zu lassen.
Ja klar. Da wurdest du dann ausgerufen und jeder wusste, wie du heisst und welchen Titel du hast. Das war in den Vor-Handy-Zeiten eine beliebte Strategie, um das Stammgastwerden zu beschleunigen.

Aber warum sind Kaffeehaus-Betreiber so existentiell auf den Stammgast angewiesen?
Er ist der Motor des ganzen Kaffeehauses. Als ich vorübergehend nach Berlin gezogen bin, war mir klar: Ich muss immer ins »Café Einstein« in der Kurfürstenstraße gehen. Erst dort wirst du in der Stadt sichtbar. Du kannst hingehen, nur um anwesend sein. Ich glaube, das begreifen die Kaffeehausbesitzer immer mehr.

Folge 1 einer mehrteiligen Lecture über Grundsatzfragen des Kaffeehauses – wird fortgesetzt

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