Auf einen Kaffee mit Doron Rabinovici

Auf einen Kaffee mit…

Doron Rabinovici

Name: Doron Rabinovici
Job: Schriftsteller, Historiker, Essayist
Geboren: 1961
In: Tel Aviv
Lebt in: Wien
Dauer des Gesprächs: 25 Minuten, geführt per Skype
Gerauchte Zigaretten: 0
Aktuelles Buch [Stand 2013]: »Andernorts«, Suhrkamp, 2012
Twittername: keinen
Homepage: www.rabinovici.at
Lesezeit für dieses Gespräch: 8 min
Fragen: Christian Ankowitsch
Foto: Susanne Schleyer / Suhrkamp
Erschienen: 14. Mai 2013

Ankowitsch: Hat der Mensch ein Grundrecht auf ein Kaffeehaus?
Rabinovici: Zweifellos. Sogar auf drei! Auf eines, in dem er sich blicken lassen kann; auf eines, in dem er unbemerkt bleiben kann; und auf eines, in das er nie, nie, nie seinen Fuß setzen will.

Können Sie dafür konkrete Wiener Beispiele nennen?
Fürs dritte nicht. Aber für die beiden anderen gerne: Ich gehe sehr gerne und lasse mich blicken in zwei Kaffeehäusern: »Prückel« und »Korb«.

Ist die Idee vom Kaffeehaus als literarischem Ort ein Klischee?
Keinesfalls. Ich glaube, dass Wien eine Stadt ist, in der Literatur eine große Rolle spielt.

Wie kommen Sie auf die Idee?
In den deutschen Städten spielt die Theorie eine stärkere Rolle; da werden Themen schriftlich, zwischen den Städten abgehandelt. In Wien hingegen werden Fragen in Form von Anekdoten besprochen, weil sich die Leute getroffen haben, um miteinander das zu besprechen, was zu tun sie keine Zeit hatten, weil sie sich ja die ganze Zeit treffen und zwar im Kaffeehaus. So wird es zur Produktionsstätte von Literatur. Ganz real. Der zweite Grund: In Wien geht es immer um Inszenierungen. Und das Kaffeehaus ist der ideale Ort dafür. Wer im Kaffeehaus sitzt und herumschaut, bekommt bald den Eindruck, als wäre die Welt nur dazu da, damit er sie im Kaffeehaus begutachten kann.

Wo schreiben Sie?
Zu Hause. Ich bin keiner dieser Literaten, die ins Kaffeehaus gehen, weil ihnen zu Hause zu kalt ist oder sie dort nicht arbeiten können. Aber manchmal gehe ich dann doch hin, weil ich weniger erreichbar sein möchte, das Handy leichter ignorieren kann. Die Geräuschkulisse und die Gesprächsfetzen wirken sehr beruhigend auf mich, sie fangen mich auf. Und so kann ich dort manchmal wirklich besser schreiben und lesen als zuhause.

Wie wirken die anderen Menschen auf Sie?
Durch ihre schiere Anwesenheit. Und indem ich fremde Gespräche mitbekomme. Wenn zum Beispiel der Ober eine ältere Dame kommen sieht, sie begrüßt und die dann – auf die verschiedenen Ober zeigend – sagt: »Welch‘ Galerie schöner Männer!«
Der Ober: »Na, und die Mehlspeisen heißen nichts?«
Die Dame: »Nein! Die sind ja alt.«
Der Ober: »Alt bin ich selber auch.«

Eine Anekdote geht noch.
Ich bestelle ein großes Soda-Zitrone. Daraufhin ruft der Ober in die Küche: »Einen Otto Bauer« Ich: »Wie bitte? Wieso ‚Otto Bauer‘?« Der Ober: »Na, einen großen So-Zi halt.« Wenn man an seinem Schreiben zweifelt, dann ist es ganz gut, den Ort zu wechseln und ins Kaffeehaus zu gehen.

Für Nicht-Wiener vollkommen unvorstellbar: Ins Kaffeehaus gehen, um dort stundenlang zu arbeiten.
Das ist das Wichtigste am Wiener Kaffeehaus: Dass es möglich ist, lange Zeit bei einer einzigen Melange oder einem großen Moka zu sitzen, sich zu unterhalten, zu lesen oder zu schreiben. Und das ist keine Inszenierung, sondern ein Zeichen des Urbanen in Wien.

Womit hat das zu tun?
Schon allein mit dessen Möblierung. Das Wiener Kaffeehaus hat ja meistens sehr stabile Tische mit einer Marmorplatte und einem schweren, metallenen Fuß. Setze ich hingegen auf einem Pariser Kaffeehaustisch meine Füllfeder an, rutscht mir der Tisch davon. Das Wiener Kaffeehaus ist oft behäbig gebaut, hat einen Windfang, große Fenster zum Rausschauen – all das ist gut fürs lange Sitzen und konzentrierte Arbeiten.

Und dazu kommt noch seine eigenartige Dialektik: Man ist einerseits in die Gemeinschaft anderer Gäste eingewoben, gleichzeitig aber ganz für sich.
Das ist sicher eines der großen Geheimnisse des Kaffeehauses und ein weiteres Zeichen des Urbanen: Man ist im Café ungebunden und auf eine gewisse Art und Weise aufgehoben. Man ist sozusagen zu Hause, aber nicht daheim.

Ja, was nun?
Das Kaffeehaus hat einen Doppelcharakter: Es ist einerseits ein Rückzugsgebiet, zugleich aber auch ein Anknüpfungspunkt. Es war ja von Anfang an eine Keimzelle von Kultur, von Emanzipation und von Urbanität. Gleichzeitig hat es eine sehr bürgerliche Anmutung. Es ist ein Residuum der Bauschaulichkeit mitten in der Hast der Moderne. Selbst bei eingeschaltetem Handy bist du dort ein wenig aufgehoben oder ein bisschen weg vom Treiben der Straße. Gleichzeitig bekommt man dort von genau dieser Gegenwart sehr viel mit.

Am liebsten gehen Sie ins Kaffeehaus …
… um andere zu treffen. Das mache ich relativ oft.

Warum treffen Sie die Leute nicht zu Hause?
Weil ich sie in einer gewissen Unverbindlichkeit treffen will und das geht nur im Kaffeehaus. Als meine Eltern aus Tel Aviv nach Wien kamen, waren sie anfangs irritiert darüber, dass ihnen alle gesagt haben: »Treffen wir uns im Kaffeehaus!« und man sie nicht nach Hause eingeladen hat.

Eine grosse Qualität des Kaffeehauses, diese nahe Ferne bzw. ferne Nähe.
Zweifellos. Letztlich kann jemand hinter seiner Zeitung in sich versunken dahinsterben. Man wird es nicht merken. Jeder bleibt dem anderen fremd. Erst nach einer gewissen Zeit, wenn man öfter in ein bestimmtes Kaffeehaus geht, beginnt man damit, andere zu grüßen, die auch dorthin kommen. Aber deren Namen kennt man eigentlich nicht.

Daher darf der Ober auch nie zu amikal werden. Sonst würde es zu häuslich.
Keinesfalls! Daher ist der Weg zum Stammgast in Wien auch so komplex. Gehe ich in Tel Aviv regelmässig in ein Kaffeehaus, dann weiß der Ober nach einer Woche, wo meine Eltern leben, ob ich Kinder habe und woher ich komme. Der Wiener Ober hingegen wahrt die Distanz, er kultiviert es, zwider zu sein, also missmutig.

Sich zu distanzieren ist doch Ausdruck von Respekt, oder?
Ja, aber es steckt mehr dahinter. Die Distanz ist Voraussetzung für seinen Schmäh, seine Raunzigkeit.

Ist der Schmäh des Obers wichtigste Dienstleistung?
Ja. Die der Ironisierung des Lebens. Und zwar für jene, die das auf sich selbst noch nicht anwenden.

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